Nach der mega Tour durch die Salzwüste Salar de Uyuni und das Altiplano Boliviens geht es für uns mit dem Nachtbus zurück nach La Paz und von da aus gleich weiter zur nächsten Gegend der landschaftlichen Superlative: dem auf über 3800 Metern höchstgelegenen und größten Süßwassersee Südamerikas: dem Titicaca See.
Mit einer Fläche 15 mal größer als der Bodensee fühlt es sich an, wie am Meer zu sein. Schon der Busweg mit anschließender Bootsüberfahrt (bei der auch der Reisebus mit verschifft wird 😳) ist beeindruckend. Das viele Grün und unendlich viele blaue Wasser bieten das genaue Gegenteil von der kargen Wüstenregion der vergangenen Tage.
Neben der beeindruckenden Landschaft hat uns Udo hier an der Copacabana (die gibt’s auch hier in Bolivien, nicht nur in Brasilien) ein besonderes Highlight organisiert: Die nächste Woche verbringen wir in der wohl spektakulärsten Unterkunft überhaupt: Dem Las Olas.

Beste Aussichten
Die gesamte Anlage ist ein einziges künstlerisches und architektonisches Meisterwerk. Alle Suiten sind individuell gestaltet, integrieren sich bestmöglich in die Landschaft und bieten einen exzellenten Blick über den See. Unsere Suite ist brandneu, gerade einen Tag vorher ist sie bezugsfertig geworden.
Der besondere Clue: Sie ist auf einem Baum errichtet!
Zudem freuen wir uns über die zahlreichen Annehmlichkeiten, die deutlich die Sprache des deutschen Betreibers sprechen: Eine vollständig ausgestattete Küchenzeile inklusive Wasserkocher, ein Haartrockner, nachfüllbares Trinkwasser, Wärmflaschen von Rossmann (diese Drogeriekette haben wir in Südamerika noch nirgends gesehen). Das kann in Lateinamerika eindeutig als Luxusausstattung gezählt werden.
Wir sind völlig hin weg und können uns vor allem an der Aussicht die ersten Tage gar nicht sattsehen. Im Spiegel sieht man sogar beim Zähneputzen den von der Sonne glitzernden See.
Working with a View
So verbringen wir eine produktive Arbeitswoche mit dem schönsten Blick über den Bildschirm und dann und wann auch ein paar felligen Besuchern: Eine Familie von vier Alpakas wohnt mit auf dem Gelände 😍
Ehrlich gesagt genießt man den riesigen See auch am Besten als Ausblick mit einigem Abstand. Auf der Suche nach Informationen zu Größe und Höhe des Sees finde ich im Internet heraus, dass der Titicaca See zu den dreckigsten Seen der Welt gehört. Das Abwasser von Millionen Haushalten und ganzen Städten wird dort hinein geleitet, was den Fischbestand bereits auf ein Minimum reduziert hat und einige Buchten unbesuchbar macht. Bedauerlicherweise eines von vielen selbst gemachten Problemen, denn über zwei Millionen Menschen sind direkt oder indirekt vom Fischfang und dem See als Trinkwasserquelle abhängig.
Von unserem Baumhaus aus nicht zu erahnen, erhalten wir eine Idee des Ausmaßes, als wir den Strand besuchen, den wir bisher nur von weitem gesehen haben. Der Strand ist von Promenade bis Wasserkante komplett vermüllt und es riecht durchgehend nach Abwasser und Toilette. Unsere Pläne schwimmen zu gehen, haben sich damit komplett erledigt – für den gesamten See und unseren ganzen Aufenthalt. Schade.
Cash and Go
Weil schwimmen nicht in Frage kommt und unser Kalender mit Arbeitsthemen recht voll ist, sehen wir außer der Unterkunft und der Restaurantmeile im Ort, wo eine Speisekarte der anderen gleicht, die ganze Zeit nicht viel. So wollen wir uns am Ende der Woche einen Roller leihen, um den Ort und das Ufer des Sees noch etwas zu erkunden, wenn wir schonmal da sind. Wir fragen rum, wo man einen Roller ausleihen kann und werden schließlich fündig. Einen Roller gibt es keinen, dafür einen Haufen kleine Motorräder, mit denen auch die Einheimischen hauptsächlich unterwegs sind. Ich frage nach dem Preis, kriege ihn überteuert genannt, frage, ob die Hälfte auch ok ist, ernte ein Nicken, und los geht’s. Kurze Proberunde und ab die Post. Kein Name, keine Formulare, keine Kreditkarte, keine Fotos. Cash and Go 😂 – mit der Kiste ohne Spiegel oder Tacho. Für Udo und mich inzwischen ein normales Szenario, wir sind schließlich schon länger in Südamerika 😅

Es macht richtig Bock und der Weg an der Küste entlang ist einfach bombastisch. Sich so mühelos fortbewegen zu können, verleiht mir immer ein Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit (ok, Udo hatte am Anfang schon etwas Mühe mit dem rostigen Getriebe und den sperrigen Gängen, aber das ging nach ein paar Kilometern 😅)
Chile, Argentinien, oder … ?
Am Ende der Woche stehen wir wieder da, wo wir schon öfter waren: Um alle möglichen Themen haben wir uns gekümmert, Kundentermine erledigt, die Bürokratie ist auf dem neuesten Stand – nur Weiterreisepläne gibt es bisher keine.
In unserem Refugium des Las Olas können wir es gut aushalten, doch fordert der allgemeine (vor allem niedrige hygienische) Standard Boliviens allmählich seinen Tribut. So richtig in die Wohlfühlzone finde ich die ganze Zeit nicht und möchte auch nicht länger bleiben.
Also dann: Wollen wir als nächstes weiter nach Chile, Argentinien, Paraguay oder ganz woanders hin? Ein paar Dokus aus der Mediathek über die angrenzenden Länder sollen bei der Entscheidungsfindung helfen. Wir sitzen im Restaurant und Udo meint auf einmal: “Lass es uns machen wie die Einheimischen: Wir gucken das Video einfach hier und lassen es laut laufen.”
Nach wenigen Minuten folgt schon die Ernüchterung: Mh. Karge Berglandschaften hatten wir jetzt schon ganz schön viel. So wahnsinnig viel Neues wartet in den Nachbarländern auf ersten Blick irgendwie nicht. Und ganz runter nach Patagonien: Da fehlt uns die passende Ausrüstung und Garderobe. Uns steht der Sinn nach über drei Wochen im Hochland auch eher wieder nach Wasser, Strand, Palmen & Co.
Im fünften Monat der Reise machen wir zum ersten Mal auch mal einen konkreten Reiseplan: Was wollen wir in der verbleibenden Zeit eigentlich noch sehen, besuchen, erleben? Eine gemeinsame Liste soll hier Aufschluss geben. Die dann in eine einigermaßen passende geografische Reihenfolge gebracht, ergibt: BRASILIEN!!! Da soll es als nächstes hingehen.
Bolivien gesamt
In vielerlei Hinsicht nimmt Bolivien als ärmstes Land des Kontinents eine besondere Stellung in unserer Reiseerfahrung ein. Allein schon das Bild der Bevölkerung unterscheidet sich maßgeblich von anderen Ländern. Bolivien hat von allen südamerikanischen Ländern den höchsten Anteil an indigener Bevölkerung, was sich vor allem an der traditionellen Kleidung der Frauen zeigt, die überall zu sehen ist: verschieden farbige, üppig ausgestellte Röcke, Strickjacken, bunte Umhängetücher statt Handtasche (auch Kinder werden darin getragen). Immer mit blickdichter Strumpfhose und Wollkniestrümpfen, dazu schwarze Halbschuhe oder Sandalen. Zum kompletten Dress gehören stets noch zwei lange geflochtene Zöpfe und ein Hut: Sommerhüte aus Stroh mit großer Krempe, einfarbige Filzhüte mit Schleife, schwarze Melonenhüte wie von Pan Tau und viele mehr. Ein bisschen erinnert mich die traditionelle Garderobe an San Cristobal in Mexiko, nur war sie dort nicht ganz so häufig zu sehen wie hier.
Allen Eindrücken voran steht natürlich die Landschaft Boliviens. Die Salzwüste von Uyuni ist ein einmaliges Naturschauspiel und auch die Hochebenen mit den verschiedensten Gebirgsformationen und Lagunen sind ganz besondere Orte auf diesem Planeten, die nicht nur unseren digitalen Fotostream, sondern auch unseren Erinnerungsspeicher reichlich gefüllt haben.
Ein riesen Vorteil der geringen Vegetation in den Höhenlagen dazu: Es gibt durchgehend keine Mücken oder Sandfliegen, auch sonst kein Getier, das sich an unserem Blut bereichern will. Höchstens mal eine vereinzelte Fliege, die ziellos durch den Raum fliegt.
Hier noch ein paar Besonderheiten, die uns in Bolivien aufgefallen sind:
- Es gibt kein McDonald’s (mehr). Die Fast Food Kette hatte in der bolivianischen Essenskultur keinen Bestand (was überrascht, da die bolivianische Küche nicht gerade die gesündeste ist)
- Die Währung heißt Bolivianischer Boliviano 😂 und sieht mit Tiermotiven sehr schick aus
- Quinoa wird vor allem exportiert, die Locals essen Reis oder Nudeln
- Es gibt Pommes in der Nudelsuppe und Reis mit Kartoffeln zu essen
- “Sagt ihr hier in Bolivien eigentlich coche oder carro zum Auto?” “Nichts davon, wir sagen Auto” 😂
- Zahnpflege: fehlende oder braune Zähne sind eher Regelfall als Ausnahme. Auch fehlende Vorderzähne bei jungen Erwachsenen sind nicht selten.
- Der Wäscheservice ist mit am teuersten von allen Ländern
- Insgesamt ein ähnliches Preisniveau wie in Peru, dafür ein deutlich geringerer Standard (außer Benzin, das ist günstiger)
- Es gibt vor allem Großpackungen statt Einmalpackungen im Supermarkt, z.B. 1000ml Shampoo für 4,20 €
- Es gibt erstaunlich viele Aufzüge in Gebäuden, die auch noch funktionieren
Neben all den Besonderheiten und herausragenden landschaftlichen Highlights erleben wir allerdings auch in Bolivien den Alltag als ordentlich herausfordernd. Dass Bolivien kein einfaches Land zu bereisen ist, hatte ich vorher schon gehört. Aber dass es mich so häufig an meine Toleranzgrenze von Hygiene, Komfort & Co. bringen würde, hatte ich nicht erwartet. Vor allem die Luft wird für mich zunehmend zum Problem, denn was man auf beeindruckenden Fotos nicht erkennt: Wie es riecht. Auf den Straßen vor allem nach Abgasen und Grillrauch, an Stränden und Sehenswürdigkeiten nach Abwasser und Toilette, sodass wir zum Beispiel selbst bei Spaziergang zu einem Aussichtspunkt auf dem Berg das Gefühl haben, durch eine überdimensionale Kloake zu laufen. Auch in Gebäuden empfängt uns oft eine Wolke aus Abwasser und Feuchtigkeit. Teilweise so extrem, dass wir direkt auf dem Absatz kehrt machen.
Wieder sieht es auch mit vegetarischen Angeboten im Allgemeinen schlecht aus, Einkaufs- und Kochgelegenheiten gibt ist es fast keine und auch der allgemeine Lärmpegel erreicht regelmäßig persönliche Grenzwerte.
Kurzum: Wir sind bereit zur Weiterreise 😀
Brasilien: Wir kommen!
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