workation Diary

#43 Ungewohntes Terrain

Ankunft Leticia

Aus Santa Marta an der Karibikküste Kolumbiens kommend, mit wenigen Stunden Schlaf in den letzten drei Tagen (Obacht bei der Buchung von Unterkünften mit “Party” im Namen 🙈) und kurzem Übernachtungsstopp in der Hauptstadt Bogotá, landen wir wohlauf in Letizia. Der kleine Ort liegt ganz südlich auf der kolumbianischen Seite im Dreiländereck – Kolumbien, Peru, Brasilien – im Amazonasgebiet

In zwei Tagen soll unsere local Experience starten: Leben bei einer lokalen Familie am Amazonas. Allerdings in Peru. Nicht hier in Leticia, Kolumbien. Wir dürfen also weiter nach Iquitos (Peru), von wo aus uns der Vater abholt und mit zu sich nach Hause nimmt. Worauf wir uns dabei genau einlassen, wissen wir nicht wirklich. Mit dem Haufen an Reise-Organisation der letzten Tage, inklusive super-duper Masterplan für unsere verbleibenden sieben Wochen, sind wir nicht dazu gekommen, uns genauer mit dem Teil zu beschäftigen, der direkt als nächstes folgt: Unsere Amazonas Erfahrung bei einer lokalen Familie

Zum Glück haben wir ja jetzt zwei Tage Zeit, um alles in Ruhe vorzubereiten: Gut schlafen, gut essen (nach zwei Tagen nur Snacks, weil es nichts anderes gab), nochmal ausgiebig duschen, bevor es in den Dschungel geht. Ordentlich packen für die nächsten Tage. Eine Unterkunft in Iquitos raussuchen. Reiseproviant organisieren. So der Plan.

Erster Eindruck Leticia: nicht so dschungelig wie gedacht. Eher modern. Es laufen 90er Songs aus den Boxen. Viele Shops im Zentrum, noch mehr Tuktuks (oder Moto Taxis, wie sie hier heißen). Viel leben auf der Straße. 

Darf es auch leicht gehen? Nö. Also hier schonmal nicht.

Das Hostel, wo wir heute übernachten und für die kommende Woche unsere großen Reiserucksäcke lassen wollen, um mit leichtem Gepäck weiterzureisen (es soll Piraten auf dem Amazonas geben…) ist super und der Rezeptionist hilfreich. Ob er uns helfen kann, die Überfahrt von hier nach Iquitos zu organisieren, fragen wir. Es sollen ja dauernd Boote gehen, sollte nicht so schwierig sein, wurde uns gesagt.

Wir sollen dafür auf die kleine Insel vorm Festland, nach Santa Rosa, von wo aus die Boote fahren, meint er. Dort organisiert man alles. 

Also runter zum Ufer und von Leticia in Kolumbien fünf Minuten mit dem kleinen Holzbootchen rüber nach Santa Rosa, was schon auf der peruanischen Seite liegt. Wo genau man hier die Überfahrt organisiert, war nicht Teil der Info, also fragen wir rum. Und landen einigen Zeigefingern folgend in einem Restaurant, das wohl Fahrten organisiert. Dort heißt es, es fährt einmal am Tag ein Boot nach Iquitos. Nicht mehrfach, wie uns im Vorfeld erzählt wurde. Immer um 1. bis zum nächsten Tag um 5.

Jetzt ist es 10. Man muss die Tickets immer einen Tag vorher kaufen, deswegen dann also morgen mit dem schnellem Boot, dem Rapido, nicht mit der Fähre, das um 1 losfährt. Hier geht es schon los mit der Konfusion, weil wir uns nicht sicher sind, ob sie jeweils morgens oder nachmittags meinen. Und welches Boot jetzt welches ist, und wie lange braucht, wird auch dauernd durcheinander erzählt.

Die Anspannung steigt.

Wir kommen zu dem Schluss, dass wir nur heute fahren können, und zwar mit der Fähre, weil es sonst für unsere gebuchte Tour in Peru zu spät wird. Egal, wann die Fähre ankommt, es ist in jedem Fall irgendwann morgen (genauer ist es nicht herauszufinden) und somit rechtzeitig, wenn übermorgen die Tour startet. Von jetzt bis zur Abfahrt haben wir dann also nur noch weniger als drei Stunden. 

Ab jetzt wird‘s stressig. 

  • Zu einem weiteren Hotel fahren, um noch letzte Tickets für die Fähre zu ergattern, die man eigentlich am Vortag kauft
  • Erfahren, dass man das Ticket nur direkt bei der Fähre kriegt, weil das Buchungssystem des Hotels in Kürze den Service schließt 
  • Auf den Weg zur Fähre (ganz woanders in Santa Rosa, wir wissen nicht wo, aber es soll weit sein) feststellen, dass es Quatsch ist, jetzt schon die Tickets zu kaufen, weil wir noch gar nicht wissen, ob wir zeitlich überhaupt alles schaffen
  • Stattdessen zurück nach Leticia mit dem Boot
  • Bootstyp fragen, ob er weiß, wie lange die schnellen Boote nach Iquitos am nächsten Tag brauchen. Vielleicht passt es ja doch und wir fahren erst morgen? Antwort: sie fahren immer um 1 los. Und brauchen 12 Stunden. Sie sind am nächsten Tag zwischen 8 und 9 da. Hä? 13 Uhr bis zum nächsten Tag um 8 oder 9 sind aber keine 12 Stunden. Was ist denn jetzt richtig?! Er sieht uns komisch an und wiederholt dieselben Worte (nach dem Motto „ist doch klar, was gibt’s denn da nicht zu verstehen?!“) es geht um 1 los, bis zum nächsten Tag zwischen 8 und 9, also 12 Stunden. Udo und ich gucken uns an. Und beschließen bei dieser Informationslage (die uns hier an jeder Stelle begegnet) doch besser heute zu fahren. Wir haben noch zweieinhalb Stunden bis zur Abfahrt. 
  • Also keine Zeit verlieren und schnell zum Hostel düsen. 
  • In Windeseile (um)packen und mit nettem Hostelmann klären, dass wir das Gepäck da lassen wollen – ohne zu übernachten 😬
  • Losrennen und Wechselstube suchen, denn die Fähr-Tickets zahlt man bar in Peruanischen Soles, wir haben aktuell nur Kolumbianische Pesos
  • Weiterrennen und Migration auf der kolumbianischen Seite suchen, um aus Kolumbien „auszuchecken“
  • Zurück rennen, für die krasse Sonne einen neuen Hut kaufen (da meiner ohne mich weiter an der Karibikküste im Bus rumfährt 😩) und auf die Schnelle noch Bananen und Kuchen kaufen – die einzigen vegetarischen Essensoptionen, die zu finden sind. 
  • Dann endlich mit dem Boot zur Fähre fahren.
  • Geschafft. Noch rechtzeitig. Puh. 
  • Doch nicht! Beim Blick in unsere Pässe fällt dem Bootsmann auf, dass der peruanische Einreisestempel fehlt. Den gibt’s hier nicht. Auch nicht später. Da müssen wir zurück nach Santa Rosa. 
  • Ob wir das noch schaffen? Ja, heißt es. Es ist 12:23. Um 13 Uhr legt die Fähre ab. 
  • An dem sonst leeren Fähranleger (es gibt NICHTS außer einem kleinen Pavillon und EINEM Tuktuk) können wir das eine vorhandene Tuktuk zum Glück nehmen. Ein Chico bringt uns zur Immigration nach Santa Rosa. Soll nicht so weit sein. 
  • Dafür ist der Weg umso abenteuerlicher: offroad durch Schlamm und über Holzbretter durch riesen Pfützen. Würde ein Reifen platzen oder wir stecken bleiben, es wäre hier keine Überraschung. Passiert zum Glück nicht. Dafür ist der Weg viel weiter, als wir dachten. 
  • Schließlich kommen wir an der Immigration an. Mit mulmigem Gefühl sehe ich, dass die Tür geschlossen ist. An der Tür das englische Schild: Lunch Break 13-14 Uhr. 
  • Das war‘s jetzt, denke ich. Die sind früher zum Mittag gegangen.
  • Stattdessen wird kurz darauf Udos Klopfen beantwortet und wir können doch hinein. Nach dem – wenn man es eilig hat gefühlt viel zu langen Gespräch mit einem Konsul am Telefon – hat der Beamte dann auch Zeit für uns und gibt uns schließlich die ersehnten Einreisestempel für Peru. 
  • Abenteuerpiste wieder zurück, Tickets kaufen, Plätze einnehmen. 
  • Geschafft. 

Um 12:50, 10 Minuten vor Abfahrt, sitzen wir in der Fähre. Nicht frisch geduscht, dafür umso verschwitzter und klebriger. Nicht gestärkt mit gutem, gesunden Essen (ehrlich gesagt heute noch gar nichts gegessen). Nicht gut ausgeruht. Ohne gebuchte Unterkunft in Iquitos. Nichts von dem, was wir geplant hatten. Dafür mit in Eile hoffentlich vollständig gepackten Rucksäcken.

Unser Proviant für die nächsten 20 + x Stunden: 4 Bananen, 4 Stück Kuchen, 2 Packungen Nüsse. Das Fährrestaurant bietet – Überraschung 😒 – ausschließlich Pollo an (Hähnchen). Und Kuchen, aber den haben wir ja selbst. Die ganzen Fahrten mit Tuktuks und Booten (bei denen wir mehr als einmal den doppelten Touriaufschlag zahlten, aber keine Zeit für Diskussionen oder Alternativen hatten) bis wir endlich in der Fähre saßen, haben eh unser Bargeld-Budget schon fast aufgebraucht.

Aber wir haben es geschafft! Eine weitere herausfordernde Situation auf dieser Reise erfolgreich gemeistert. Glücklicherweise in einem spanischsprachigen Land. Hätten wir für jeden Pups der letzten drei Stunden Google Translate benutzen müssen, wie in Brasilien, wir hätten es nicht geschafft.

Eine Fährfahrt, die ist lustig

Dass wir am Amazonas sind, konnten wir in dem stressigen Rumrennen bisher noch gar nicht richtig sacken lassen. Erster Eindruck: ein breiter, brauner Fluss mit vielen vereinzelten grünen Pflanzen, die von unten an die Oberfläche streben. Zu beiden Seiten dichter Regenwald.

Die Fähre ist ganz annehmlich. Wasser, Kaffee, Tee, Klimaanlage, Filme, Toiletten. Zwar lassen sich die Sitze nicht wie angekündigt zurücklehnen, aber es wird schon gehen. Wir kriegen die Zeit schon irgendwie rum. Ob sich der ganze Stress lohnen wird? Wir hoffen’s. Einen Tag von der Amazonas-Experience zu verlieren, war für uns jedenfalls die noch unattraktivere Variante.

Unterwegs sehen wir einen Flussdelfin kurz zum Atmen auftauchen und einen großen braunen Affen den Baum hochklettern. Ansonsten hören wir viele Vögel, aber sehen nicht viele. Die Fahrt ist ruhig. Da war der Flug von Santa Marta nach Leticia mit einigen Luftlöchern deutlich ruckeliger. 

Draußen auf der Fähre herrschen zur Mittagszeit ungefähr 40 Grad. Drinnen ist es auf unter 20 Grad runtergekühlt. Wir teilen uns einen 6er Tisch mit drei Franzosen auf der anderen Seite, die seit anderthalb Jahren auf der Welt unterwegs sind. Wir quatschen ein bisschen, der Tag vertreibt sich so dahin.

Nachts liege ich auf unserem 3er Sitz, Udo liegt zwischen zwei Sitzreihen auf dem Boden. Es ist auf 16 Grad runtergekühlt. Ich habe alle langen Sachen an, die wir mithaben und mit Decke (zum Glück dran gedacht!), zwei Tüchern und Udos Jacke geht es gerade so. Nase und Ohren sind kalt. Udo friert zum Glück nicht so schnell. 

Iquitos, Peru

Nach 20,5h erreichen wir Iquitos. Schneller als gedacht. Nach fünf Stunden Fahrt hatten wir auf der Karte nicht mal ein Fünftel der Strecke zurückgelegt. Über Nacht haben wir dafür ganz schön (Kilo)Meter gemacht. Insgesamt 480 km. Auf dem Amazonas. 

Es ist morgens. Wir fahren mit dem Tuktuk zum nächstbesten Hostel, können glücklicherweise sofort einchecken und haben ENDLICH: Bett, Dusche, Essen. Die Vorzüge einer größeren Stadt.

Nach kurzer Erholungspause zieht es uns noch einmal hinaus. Zwar waren wir zuvor schon einmal in Peru, aber an ganz anderer Stelle im Gebirge und dem berühmten Machu Picchu. Gerne wollen wir die Gelegenheit nutzen, um weitere Eindrücke vom Land aufzunehmen. Das geht auch relativ leicht: Man sieht von der Straße schon bis zum Amazonas hinüber, der in diesem Licht sogar ganz blau erscheint.

Nur einige Gehminuten entfernt liegt außerdem ein einfaches Wohnviertel, das komplett auf Holzstelzen erbaut ist, was für uns bisher ein einmaliger Anblick ist. Alle Bewohner marschieren ganz selbstverständlich auf den wackeligen, schmalen Holzpfaden entlang, als seien es herkömmliche Gehwege.

Mal abgesehen vom Aussehen, erkennt man uns hier sofort als Touris: Wir sind die Einzigen, die sich vorsichtig voran tasten und sich auch noch festhalten, wenn es geht 😂

Es geht weiter in Peru

Am nächsten Tag werden wir pünktlich um 7:30 Uhr abgeholt. Gerade so, dass wir das Frühstück verpassen. Eines von vielen kleinen Dingen, die auf Missverständnisse, sprachliche Hürden und unvollständige Absprachen zurückzuführen sind. Ist nicht immer einfach in einem anderen Land, und hier am Amazonas schon gleich gar nicht.

Mit Fahrer und großem Auto geht es knapp zwei Stunden über Land zum kleineren Ort Nauta, von wo aus uns das nächste Boot mitnimmt. Vorsichtiges Kennenlernen auf vier Rädern mit Elvio, dem Familienvater. Er stellt sich direkt damit vor, dass er schon sein ganzes Leben am Amazonas lebt. Er will da nicht weg. Er will nicht in der Stadt wohnen. Okay, das wissen wir also schonmal. 

Angekommen in Nauta haben wir noch fast zwei Stunden Zeit. Da wäre ein Frühstück locker noch drin gewesen. Dafür bitten wir Elvio jetzt, irgendwo was essen gehen zu können, was Vegetarisches. So offensichtlich sind die Optionen hier nämlich nicht. Er regelt das schnell und eine kurze Tuktuk Fahrt später speisen wir schon herrlich. 

In Nauta scheint alles etwas kleiner als gewohnt. Die Pissoirs hängen in Kniehöhe, berichtet Udo. Auf den von mir als Kinderstuhl identifizierten Schaukelstuhl setzt sich neben mir ein Mann. Elvio ist geschätzt 1,60 m groß. Damit liegt er hier im guten Durchschnitt. 

Der, die, das Chasqui

Schließlich können wir an Bord des nächsten Bootes, dem/der (?) Chasqui. Macht den Eindruck nach Marke Eigenbau. Die Sitze sehen aus wie zusammen gesammelte, ausrangierte Flugzeugsitze. Oder aus Bussen. Die Polster sind zum Teil völlig hinüber. Mindestens ausgesessen. Das Boot wird bis unters Dach voll geladen. Mit allem. 

Die Fahrt ist im Vergleich zur Fähre viel uriger. Viel näher sind wir am Wasser, die Seiten sind offen. Es ist knalleheiß. Sobald wir stoppen, läuft’s an uns runter. Mit Fahrtwind geht es ansonsten und der Blick ist ganz schön.

Wir scheinen die einzigen Nicht-Peruaner zu sein. Bis uns das Boot in einer Woche wieder hierher zurückbringt, wird das auch so bleiben. Local Experience vom Feinsten. Nach den eher Touri-reichen Aktivitäten wie der Wanderung zur Ciudad Perdida, dem Besuch im Tayrona National Park und dem Tauchkurs an der Karibikküste ist das eine willkommene Abwechslung. Nochmal so ganz anders. 


Shitsandwich unterwegs: Fette, schwarze, bremsenartige Dinger fliegen immerzu rein und beißen uns blutig in die Beine 😩


Wir halten ungefähr jede dreiviertel Stunde am Ufer an und ein paar Leute steigen aus und nehmen allerhand Beladung mit. Bei einem der Stopps hören wir viele verschiedene Frauenstimmen von draußen rufen. Kurz darauf erfahren wir auch, warum: Refresco! Pollo Frito! Agua! Pescado!

Ca. 30 Frauen kommen in langer Schlange in das volle Boot und quetschen sich dicht an dicht den engen Mittelgang entlang. Jede eine Schüssel oder einen Korb vor sich, mit Dingen zum Kaufen. An Proviant könnten wir noch gut was vertragen, aber in dem Getöse und der Hektik verstehe ich nur wenig vom Angebot und kenne das meiste davon auch nicht. Da was Gesundes und Vegetarisches zu finden, wenn man nicht genau weiß, was man will, scheint aussichtslos.

Das Boot fährt währenddessen weiter am Ufer des Ortes entlang, bis es irgendwann wieder anhält und sich die drängelnde Schlange der Frauen, die das ganze Boot ausfüllt, langsam wieder auflöst und sie ins Dorf zurück gehen. Für alle anderen im Boot eine völlig normale Szene. Für Udo und mich ungewohnt. Wie so vieles in den noch kommenden Tagen. 

Status Quo

Nachdem man am Tag zuvor über 20 Stunden Fähre gefahren ist, nun 10 Stunden lang mit gefühlt 30 km/h übers Wasser gleiten, in einem local Boot, wo man nichts machen kann, außer auf seinem unbequemen Sitz zu verharren.

Es passiert quasi nichts. Wir fahren einfach nur geradeaus. Keine Ablenkung, kein Handyempfang, keine Unterhaltungsmedien. Nur der Blick nach draußen. Wie eine ruhige Zugfahrt quer durchs Land. Nur statt Zug auf Schienen, Boot auf Wasser.

Hätte ich das direkt aus Deutschland kommend gemacht, wäre ich wahrscheinlich durchgedreht, die innere Betriebsamkeit hätte mich verrückt gemacht. Nach knapp sieben Monaten Lateinamerika drehen unsere Uhren inzwischen langsamer. Entschleunigung hat Einkehr gefunden. Zwar rutschen wir immer noch auf unseren Sitzen hin und her und wechseln regelmäßig die Seiten (nur die Kinder an Bord haben noch mehr Bewegungsdrang als wir). Insgesamt ist es aber chillig. Dann und wann halten wir an und es wird etwas abgeladen. Manchmal steigt jemand aus. Das Wasser sieht schön aus im Schimmer des Sonnenlichts.

Highlight der Fahrt: Wir setzen uns nach einem Stopp, als die Ladefläche schon deutlich freier, einfach mal eine Runde mit ganz nach vorne. Der Kapitän und seine Frau grinsen uns an. Diese Touris 🤪

Der Blick von hier vorne mit der untergehenden Nachmittagssonne ist einfach der Wahnsinn. Dieses endlose Wasser, die riesigen Bäume am Ufer. Wir sehen ewig lang nur Wald und plötzlich stehen da wieder ein paar Holzhäuser und Leute warten bereits am Ufer. Alles, was zu den Menschen gelangen soll, kommt hier mit Booten. Es gibt keine Straßen. Es gibt keinen Flugplatz. Baumaterial, Vorräte, Hühner, die Oma – alle können hier einzig und allein über den Wasserweg kommen. Und es ist ja nicht nur ein Dorf. Es sind tausende Kilometer Flussufer in Amazonien, wo das so ist. Die Vorstellung finde ich derart außergewöhnlich. Ebenso wie mitzuerleben, wie vollkommen normal das hier für alle ist.

Dann fängt es an zu nieseln. Aus leichten Nieseltropfen wird in wenigen Momenten ein heftiger Schauer. Die zerschlissenen Planen werden zu beiden Seiten runter gelassen. Hält man sie nicht vom Boot weg, läuft es an der Unterkante direkt hinein. Durch die vielen Löcher sowieso. Ein paar Minuten fahren wir durch Weltuntergangsstimmung: dunkel, keine Sicht, Wind, der an den Planen zerrt, Wasser, das in zunehmender Menge aus allen Richtungen ins Boot drängt. Dann ist plötzlich alles wieder vorbei, als wäre nix gewesen. Planen werden hochgerollt, Sonne scheint, klare, weite Sicht. War was? 
So geht es noch zweimal. 

(Vor-)letzter Stopp

Nach gut sieben Stunden kommen wir mit dem Chasqui an, früher als gedacht. Keine Ahnung, wo wir sind oder was jetzt passiert. Wir wissen nichts. 
Oh, es wird alles ausgeladen. Oh, wir fahren mit einem kleinen Holzkajak weiter. Oh, guck mal, der Sonnenuntergang ist mega. Oh, es geht schon los …

Im Kajak sind wir nur noch zu viert. Elvio, wir zwei und ein Fahrer. Statt direkt “nach Hause”, fahren wir bei zunehmender Dämmerung erst noch zur Kontrollstelle des Naturschutzgebietes. Dort kauft Elvio unsere Tickets und wir werden herzlich begrüßt im Naturschutzgebiet Reserva Nacional Pacaya Samiria. 

Dann warten wir, bis sich der Bootsfahrer zu Ende geduscht hat, damit wir weiter können. Er steht dafür oben ohne im Dunkeln am Steg und gießt sich mit einem Eimerchen Flusswasser über den Kopf. Ich frage, ob das die reguläre Dusche ist. Ja, heißt es. Niemand guckt hier verdutzt (außer uns).

Weiter geht es 40 Minuten lang im Kajak. Mittlerweile durch die pechschwarze Dunkelheit. Nirgendwo ist ein Licht zu sehen. Einzig der gigantische Sternenhimmel über uns schenkt uns ein wenig Sicht. Es wird langsam kühl. Viele Glühwürmchen sind unterwegs. Und große Fledermäuse, die wir sehen, wenn Elvio kurz mit der Taschenlampe den riesigen Fluss entlang leuchtet. 

Wir sind da

Schließlich kommen wir an. Wir steigen aus dem wackeligen Kajak aus auf einen kleinen Steg. Hoffentlich haben wir unsere sieben Sachen in der Dunkelheit alle beisammen. Eine Taschenlampe leuchtet uns entgegen, ansonsten kein Licht. Wir werden nett begrüßt von einer Frau, das Gesicht sehen wir nicht. Es ist zu dunkel. 

Direkt wird uns unser Zimmer gezeigt: Nett, basic. Ein Doppelbett mit Moskitonetz, ein Tisch, ein Stuhl. Es reicht. Wir bekommen noch eine kleine Batterielampe (allerdings nur für die erste Nacht, wie wir feststellen werden). 

Es gibt keinen Strom. Nirgends. Alle leuchten mit Taschenlampe oder Stirnleuchte.

Das Dinner für heute Abend: Papaya und trockenes Toastbrot. Ungetoastet. 

Das Bad: eine Kloschüssel ohne Deckel mitten im Raum mit Vorhang davor. Kein Waschbecken. Kein fließendes Wasser. Nichts. 

Hände waschen? Nö. 

Ich fühle mich jetzt schon wie eine Woche nicht geduscht allein von der Anreise. Alles klebt und ist dreckig. Ein Überzug aus Schweiß, Insektenspray und allem, was man sonst so tagsüber aufsammelt im staubigen Draußen.

Dusche? Keine. Egal auf welche Weise, gewaschen wird sich hier mit Flusswasser. Das ist dunkelbraun. Davon wird auch aus einem Eimer ins Klo geschaufelt. Spülung gibt es nicht.

Ich habe meinen ersten Krisenmoment. Ich kann mir hier nicht mal die Hände waschen!!! Es ist stockdunkel und ich gehe ganz sicher nicht runter zum pechschwarzen AMAZONAS, um dort meine Hände reinzuhalten! 

Improvisierter Plan B: Wir nehmen eine Schüssel und schütten etwas Trinkwasser hinein. Reicht immerhin zum Zähneputzen und für das Nötigste.

Kleiner Vorteil: Es gibt auch nirgendwo Spiegel. Unter diesen Umständen vielleicht gar nicht so schlecht. 

Jetzt am besten einfach nur noch schnell ins Bett. Ich krieche als erste unter das Moskitonetz und stelle fest: Das Bett ist voller Holzwurmbrösel! Alles voll!

So beginnt unsere local Experience am Amazonas…


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