Guten Morgen am Fluss!
Der erste Morgen. Jetzt sehen wir erstmal, wo wir überhaupt sind. Am Abend zuvor war es schon derart dunkel, als wir ankamen, dass wir kaum eine Idee von der Umgebung bekommen haben. Nach über 30 Stunden Anreise – allein der Teil auf dem Fluss – war uns am Ende auch nicht mehr nach großer Erkundung, sondern eher nach direktem Weg ins Bett zumute.
Wir wachen auf im komplett aus Holz gebauten Haus. Vor uns liegt direkt der Amazonas, der wasserreichste Fluss der Welt.
Sonnenstrahlen werfen goldenes Licht auf die umliegenden Bäume. Wir hören verschiedenes Vogelgezwitscher aus allen Richtungen, ansonsten gibt es nur die Geräusche, die wir selber machen. Vom Zimmer aus sehen wir direkt auf eine Palme am Wasser, an deren Wedel hängende Vogelnester im Wind hin und her baumeln.
Wow, ist das SCHÖN hier!

Wir erkunden ein bisschen unser neues Zuhause. Nach dem ersten Schockmoment von gestern Abend über das nicht vorhandene Badezimmer, geschweige denn fließendes Wasser oder ein Waschbecken, hat sich unsere Erwartungshaltung über Nacht glücklicherweise zu unseren Gunsten angepasst. Was man nicht (mehr) erwartet, fehlt auch nicht. Dass es weder Strom noch Internet gibt, wussten wir schon vorher.
Es folgt die gegenseitige Vorstellung: Die Familie, bei der wir hier am Amazonas wohnen dürfen besteht aus Vater Elvio, 54, Mutter Alicia, 38, den Töchtern Angie, 22, Julia, 15 und Camila, 12, und dem Sohn Kevin (gesprochen “Keebi“), 7.
Dazu gehören noch Angies Mann Wellington – jetzt wissen wir auch, wer unser Fahrer im Kajak ist 😉 –, die gemeinsame Tochter Nicole, 3, und Wellingtons Schwester, deren Namen wir leider nie richtig verstanden haben.
Nach einem schnellen Frühstück geht es auch schon direkt los. In der Gruppe von gestern Abend (wir zwei, der Vater Elvio und Fahrer Wellington) starten wir unsere erste Erkundungstour auf dem Amazonas. Wohin, wie lange, was genau: Wir werden sehen.
Im Bann der Natur
Kaum befinden wir uns im Holzkajak auf dem Wasser, sind wir schon vollkommen in den Bann gezogen. Am Morgen ist das Wasser im Amazonas ganz ruhig. Der üppige Regenwald am am Ufer spiegelt sich 1 zu 1 im Wasser wider und bildet mit Wolken und Sonnenstrahlen die schönsten künstlerischen Bilder. Unglaublich.
Wir sehen ein Papageienpärchen hoch über uns fliegen. Von Elvio, dem Vater, lernen wir, dass Papageien immer im Paar Leben. Stirbt einer, stirbt kurz darauf auch der andere. Wir sehen außerdem ein paar Affen und riesengroße Bienen- und Wespennester an den Bäumen, die an uns vorbei ziehen und an deren Äste regelmäßig große Adler gebannt unseren Weg verfolgen.
Dazu hören wir vielfach Flussdelfine an der Wasseroberfläche ausatmen. Anders als die Delfine im Meer sind die Amazonas Delfine eher Einzelgänger. Charakteristisch für sie ist die lange dünne Schnauze, die „Beule“ am Kopf und die rosa Hautfarbe. Leider machen die Tiere hier keinen auf Flipper und springen vergnügt aus dem Wasser oder kommen so nah, dass wir sie mal genau betrachten können. Teile vom Kopf und Rücken sind alles, was wir zu sehen bekommen. Dafür ganz schön oft.
Highlight 1: Udo und Elvio gehen an einer breiten Stelle schwimmen, während ich mir die Szene zunächst mal nur vom Boot aus anschaue. Ein besonderes Gefühl. Hier draußen sind wir sowas von alleine! Mal abgesehen von allen Tieren über und unter Wasser. Ich sehe Udos und Elvios Köpfe über dem Wasser schwimmen und einige Meter weiter hinten holt ein Delfin wieder Luft. Crazy!
Highlight 2: Nach ein paar Minuten, als keiner der beiden von Piranhas, Krokodilen oder Sonstigem aufgefressen wurde, traue ich mich sogar selbst für einen Moment hinein. Ins dunkle, undurchsichtige Wasser, an dieser Stelle laut Elvio etwa 12 Meter tief. Ich kann nur ungefähr fünf Zentimeter weit hinein sehen. Dafür weiß ich, dass allerhand Tiere darin unterwegs sind, es ist ja schließlich der Amazonas! Mindestens ja schonmal die gefühlten zehn Delfine, die wir bisher schon haben atmen hören und die man unter Wasser nicht mal sehen kann, auch wenn sie relativ nah sind…
Ich sage es mal so: Es ist höchst ungewöhnlich für mich, dass ich mich freiwillig in ein derartiges Gewässer begebe. Gleichzeitig ist es ja nunmal der Amazonas. Es ist einfach zu besonders hier, zu einmalig, als dass ich mir diese Gelegenheit entgehen lassen könnte.
Also rein.
Und ich bin sofort geflasht. Das Wasser ist angenehm lau und es ist sowas von klar! Und so weich, richtig zart auf der Haut. Doch keine fiese Dreckbrühe, wie es auf ersten Blick den Anschein macht. Die braune Farbe kommt vom Dschungelboden und vielen Lagunen, die das Wasser dunkel färben, erklärt uns Elvio.
Highlight 3: Auf der Rücktour halten wir an einer Uferstelle an, Elvio steigt aus, nimmt seine Machete mit, verschwindet kurz im Dickicht und kommt kurz darauf mit einigen dicken Ästen zurück. Wir machen uns keinen Reim daraus. Bis er die Rinde entfernt und uns die saftigen Äste zum Probieren in die Hand drückt. Es ist Zuckerrohr! Sowas von lecker. Wie ein natürliches Eis am Stiehl aus dem Dschungel, nur besser.
Begeistert kehren wir von unserem ersten gemeinsamen Ausflug wieder zurück. Und allein das ist hier schon wieder etwas Besonderes: Ewig lang fahren wir gefühlt als einzige Menschen weit und breit den Fluss entlang und sehen nichts außer Wald zu beiden Seiten. Da tut sich plötzlich zwischen den Bäumen ein Haus auf, wir „fahren vor“, halten am Steg und steigen aus dem Holzkajak. Statt Hauszufahrt und Parkplatz, Flusswasser und Holzsteg. Leben am Amazonas.

San Martín
Zuhause werden wir schon empfangen. Es gibt Mittag. Es ist Karfreitag. Heute wird kein Fleisch gegessen. Wenigstens einen Tag im Jahr. Dafür gibt es Palmenherzen ohne Ende. Schon auf dem Markt in Iquitos haben wir die zu Hauf gesehen. Dort wussten wir noch nicht, was man damit macht, nur, dass die Leute sie haufenweise einkaufen. Palmenherzen sehen aus wie überdimensionale Bambusstreben. Sie schmecken super! Ein bisschen wie Artischockenherzen, nur zarter und leichter im Geschmack. Das traditionelle Gericht am heutigen Feiertag.
Nach dem Mittag zeigt uns Elvio das 15 Minuten fußläufig entfernte Dorf San Martín, von dem er selbst sozusagen der Bürgermeister ist. Hier gehen die Kinder zur Schule, welche auch das einzige Gebäude mit Internetzugang in der Gegend ist. Strom gibt es ansonsten auch im Dorf nicht, zumindest sehen wir oder hören wir nichts davon.
Das Dorf besteht aus einzelnen Holzhütten entlang der Wasserkante. Außer Hängematten entdecken wir keine weiteren Möbel. Drinnen sind die Häuser meist leer oder Wäscheleinen hängen quer durch den Raum. Manche Grundstücke sehen sehr gepflegt aus. Bei anderen liegt alles voller Plastikmüll, vor allem Essensverpackungen. Auch hier kann man anfangen zu sammeln und findet schnell genug Material, um eine Tonne zu füllen (die es aber nicht gibt).
Draußen auf den Wegen sehen wir keine großartigen Aktivitäten. Jugendliche und Erwachsene sitzen auf Bänken oder auf den Stufen der Hauseingänge. Jüngere Kinder laufen herum und spielen miteinander. Außer einem einzigen Ball sehen wir nirgends ein Spielzeug. Selbst für die herumlaufenden, ultra niedlichen Entlein und Hundewelpen interessieren sich in diesem Moment nur Udo und ich.
Duschen am Fluss – so geht das also
Als wir zurück kommen, dürfen wir dann beobachten, wie das mit dem Waschen am Flussufer hier so läuft: Schwester und Schwägerin sitzen auf dem Steg und spülen das Geschirr: Eine seift ein, eine spült im Fluss nach. Danach wird alles in einer Wanne auf dem Kopf zurück zum Haus getragen.
Mama Alicia zeigt im Anschluss, wie es mit der Wäsche funktioniert: einseifen in einer Schüssel, ordentlich schrubben, im Fluss ausspülen. Bei der Gelegenheit gleich noch mit „duschen“: Mit einer Schüssel Flusswasser über den Kopf gießen, einshampoonieren, mit der Schüssel so lange nachgießen, bis der Schaum weg ist. Waschen läuft genauso. Nur eben mit Klamotten noch an – man sitzt ja schließlich draußen, wo es alle sehen…
Zu unserer Überraschung werden hier „herkömmliche“ Produkte zum Spülen und Waschen benutzt. Head&Shoulders landet auf dem Kopf, gängiges Spüli und Waschmittelpulver in der Waschwanne. Alles aus Einmalverpackungen oder in kleinen Tütchen – aus Plastik. Wir beobachten, nehmen zur Kenntnis, und versuchen bestmöglich nicht zu bewerten. Wir sind hier zum Kennenlernen, nicht zum Urteilen.
Kaum sind alle fertig, trauen auch wir uns zur natürlichen Waschstation runter, jetzt wissen wir ja, wie es geht. Dankbarerweise hat das Wasser eine angenehme Temperatur, erfrischend, aber nicht zu kalt. Ich mache innerlich drei Kreuze. Wäre es hier so ein Eiswasser wie in den Flüssen im Gebirge von Kolumbien, hätte ich ein riesen Problem.
So lau ist es sogar ziemlich angenehm. Und ich fühle mich gleich sauberer, mehr mit der Natur verbunden und mehr angepasst an das natürliche Leben am Amazonas. Auch Udo ist direkt wieder in seinem Element: Nochmal ’ne kurze Runde schwimmen, danach schön duschen…
Stories to tell… eine besondere Verbindung
Am Abend wollen wir mit Elvio noch los zu einer nächtlichen Tour auf dem Fluss. Nach einem tollen Sonnenuntergang mit leuchtenden Farben, heißt es jedoch: Oh, oh, da kommt noch was runter, das wird intensiv sein. Ein Gewitter kündigt sich an. Wenn es doll wird, meint Elvio, können wir nicht mehr rausfahren, wenn es sich beruhigt, fahren wir.

Es beruhigt sich nicht. Innerhalb von Minuten fängt es an zu stürmen und zu regnen und der Wind trägt den Regen sogar bis weit in die Räume hinein. Der Nachteil, wenn Fenster und Türen aus mit Moskitonetz bespannten Holzrahmen bestehen. Wir warten ab. Im Stockdunkeln. Statt einer Nachttour gibt’s ein paar Geschichten. Elvio erzählt uns vom Geist des Delfins:
Der Amazonas Flussdelfin (genannt Boto) hat eine große kulturelle und spirituelle Bedeutung für die indigenen Völker der Region. Eine der bekanntesten Legenden besagt, dass der Boto sich nachts in einen attraktiven jungen Mann verwandeln kann. Dieser „Mann“ besucht die Dörfer, verführt junge Frauen und kehrt dann bei Tagesanbruch ins Wasser zurück, um wieder ein Delfin zu werden. Der Boto soll besondere spirituelle Kräfte besitzen und in der Lage sein, Menschen zu heilen. Diese spirituelle Betrachtung führt dazu, dass die Delfine mit großem Respekt behandelt werden und als einzige Tiere von den Menschen nicht gejagt und gegessen werden.
Gespannt sitzen wir im Dunkeln da und lauschen Elvios Erzählungen, während draußen weiter der Sturm tobt und eine dramatische akustische Begleitung zu den mystischen Darstellungen bietet.
Wie ursprünglich, wie einzigartig, einer solcher Moment in unserer heutigen Zeit. So saßen die Menschen wohl über Jahrtausende hinweg beisammen und haben sich gegenseitig Geschichten erzählt. Ein wahnsinnig verbindender Moment: Elvio und Alicia, Udo und ich. Zwei Paare aus vollkommen verschiedenen Kulturen, deren Lebensentwürfe kaum unterschiedlicher sein könnten. Verbunden durch geteilte Geschichten.
Ja, die gibt’s hier…
Auch die spannendsten Geschichten sind irgendwann zu Ende erzählt und wir machen uns auf zur Nachtruhe. Ein bisschen schwant mir schon Böses, erinnere ich mich doch nur zu gut noch daran, wie vor Jahren nach einem heftigen Sturm in Guatemala hunderte dicke schwarze Spinnen Zuflucht in unserem Mädels-Zimmer im Holzhaus gesucht haben…
Vorsichtig leuchte ich mit dem Handy in unser Zimmer und begutachte die Lage. Nichts zu sehen. Auf schnellstem Wege husche ich ins Bett unters Moskitonetz und leuchte noch einmal aus meinem Schutzquartier in alle Ecken.
Und da sitzt sie. In der Ecke hinter der Tür. Nicht hunderte, dafür eine richtig große. Braun. Mit Beinen so groß, wie wenn man einen Kreis aus Zeigefingern und Daumen bildet. Eine Tarantel. Wenn ich sie anleuchte, reflektieren ihre Augen im Dunkeln das Licht. Uiuiui…
Der Retter – für mich UND die Spinne 😂
Udo schreitet sogleich zur Tat. Unausgesprochen ist uns beiden klar: Die Spinne kann da nicht bleiben. Er kramt ein bisschen im Rucksack rum, holt einen Becher raus, nimmt sie mit einem Stück Papier darin auf und trägt sie ohne Umschweife aus dem Zimmer. Dieses Kaliber ist auch für ihn eine Herausforderung, das weiß ich, ohne zu fragen. Wie er das hingekriegt hat, frage ich, die Spinne war ja immerhin größer als der Becher. Ja, sie musste ordentlich die Beine einziehen, damit sie reinpasst, meint Udo. Ggggrrrrrrrrr, mich schüttelt gleich alles bei dem Gedanken. Was für ein Held!!!
Am nächsten Morgen erzähle ich die Heldengeschichte von letzter Nacht und finde immer noch voll krass, dass wir so eine große Spinne im Zimmer hatten und Udo die selber rausgebracht hat. Krass finde ich das hier allerdings als Einzige. Bestätigend nicken alle, nach dem Motto „ja, die gibt’s hier“, als hätte ich von einer kleinen Fruchtfliege erzählt. Nicht mal die jüngeren Mädels verziehen eine Miene. Solche Spinnen sind hier für alle vollkommen normal. Liebe Anna, wir sind hier am Amazonas…
Die Abenteuer gehen weiter
Auch am nächsten Tag fahren wir in der gewohnten 4-er Kombo raus auf den Fluss zu einer weiteren Erkundungstour von Land und Wasser. Erneut schlagen wir uns im wahrsten Sinne durch: Dichte Wasserpflanzen bedecken an manchen Stellen den kompletten Fluss, sodass es aussieht, als würden wir mit dem Boot durch ein grünes Feld fahren und nicht durch Wasser.
Die drei Männer an Board schaufeln und rudern kräftig, während ich das ins Boot eindringende Wasser wieder hinaus schippe. So geht es viele Male auf unserer Tour. Für Udo und mich jedes Mal ein besonderes Erlebnis. Für Elvio und Wellington der normale Weg, wenn man halt hier lang will. So interpretiere ich zumindest ihre souverän erscheinenden Gesichtsausdrücke.
Belohnt werden die Anstrengungen jedes Mal: Die gewaltigen Formationen der Pflanzen und riesigen Bäume sind einmalig. So dicht und soweit abseits vom Massentourismus uns die Wunderwerke der Natur von Menschen zeigen zu lassen, die ihr ganzes Leben hier verbringen, stimmt uns dankbar und demütig. Eine Brise Abenteuer obendrauf: umso besser 😊
Kleiner Clou zum Schluss: Udo hat plötzlich einen kleinen grünen Mini-Frosch auf der Hand sitzen. Wo der herkam – keine Ahnung 😂
Die Gaben der Natur
Zurück an Land wartet Alicia bereits auf uns, um gemeinsam ein reinigendes und heilendes Kräuterbad vorzubereiten. Die Kräuter und Blätter wachsen im Garten neben dem Haus. Stiele werden entfernt, alles wird klein gezupft, ein bisschen kommt vom tabakartigen Kraut und einer speziellen Tinktur dazu und fertig ist das nach Knoblauch und anderen Kräutern riechende Bad.
Der Plan: es zieht bis morgen früh durch und wir sollen es vor Sonnenaufgang (5 Uhr morgens) abwechselnd über uns gießen, bis die Schüssel leer ist. Danach so lange im Garten spazieren, bis wir trocken sind und sich die heilende Wirkung voll entfaltet. Das Ganze drei Tage hintereinander.
Spoiler: Udo zieht es voll durch und lässt die ganze Heilerfahrung auf sich wirken.
Reality Check bei mir: Aus rumlaufen und mehreren Wiederholungen wird nichts. Wie sich rausstellt, gehört das gesamte Ufer morgens früh um 5 den Mücken, die nur auf mich zu warten scheinen. Um 100 Stiche reicher nach nur wenigen Minuten draußen belasse ich das Ganze bei einem Mal…
Braucht man nicht kaufen, wächst hier
Am Nachmittag können wir dann mal richtig mit anpacken: Alicia zeigt uns, wie wir aus kürbisartigen Gewächsen, die nebenan am Baum wachsen, Schüsseln herstellen können: durchsägen, ziemlich mühsam ausschälen und sauber kratzen und am Ende kurz übers Feuer halten, bevor die Schalen einen ganzen Tag in der Sonne austrocknen sollen. In meiner Vorstellung dauerte „Schalen herstellen“ einen halben Tag. De facto sind nach einer Stunde Teamwork schon alle Schalen fertig.
Nächster Programmpunkt für den Nachmittag: Yuca ernten.
Yuca, auch bekannt als Maniok ist eine tropische Wurzelpflanze, die in Südamerika beheimatet ist. Die Pflanze hat große, palmenähnliche Blätter und produziert stärkehaltige Wurzeln, was sie zu einem Grundnahrungsmittel in vielen Teilen Südamerikas macht. Ähnlich wie Kartoffeln kann Yuca auf verschiedene Weise zubereitet werden: gekocht, gebraten, gebacken oder als Mehl. Viele typische Gerichte mit Yuca haben wir bereits auf unserer Reise probiert: Arepas de Yuca: Fladenbrote aus Yuca-Mehl, oft gefüllt mit Käse; Pan de Yuca: Kleine Brötchen aus Yuca-Mehl; Yuca Sticks: frittierte Yuca-Streifen, ähnlich wie Pommes.
Auf dem Teller ist uns Yuca also schon bekannt. Als Pflanze bisher noch nicht. Wir wären komplett daran vorbei gelaufen. Zielsicher steuert Alicia die erste Pflanze im Garten an. Ein kräftiger Hieb mit der Machete und der Stamm ist erledigt. Dann darf Udo ans Werk: Mit ordentlich Chacka werden die großen Wurzeln am Stück aus der Erde gezogen. Dann die nächste.
Mit fünf Pflanzen ernten wir heute eine ganze Schubkarre voll Yuca Wurzeln. Die Pflanzen brauchen vier bis fünf Monate, um diese Größe zu erreichen und müssen dann auch geerntet werden, sonst verderben sie. Jeden Monat einmal ernten, einmal säen. Bei mehreren Reihen ist damit immer ein Grundnahrungsmittel für die ganze Familie vorhanden.
Nach der Ernte machen sich die Frauen daran, die Wurzeln zu waschen, zu schälen und weiterzuverarbeiten. Wir probieren in den kommenden Tagen allerhand Zubereitetes aus Yuca: Bier und leckere Arepas sind unsere Favoriten.
Wer in den Wald hinein ruft… kriegt eine Antwort
An diesem Abend können wir bei guten Wetterbedingungen unsere nächtliche Tour übers Wasser nachholen. Nachts scheinen die Geräusche der Tiere noch lauter zu sein als tagsüber. Der Schall überträgt sich übers Wasser und Geräusche klingen viel näher, als sie tatsächlich sind.

Als ehemaliger Jäger kann Elvio hervorragend alle möglichen Tiergeräusche imitieren. Und der Knaller: Die Tiere antworten!!! Vögel, Affen, sogar Krokodile! Ein wohl fünf Meter langes Krokodil – das erkennt Elvio am Ton – steht im regen Austausch mit ihm, aber wohl aus weiter Ferne, auch wenn es sich für uns recht nah anhört.
Das Wasser um uns herum ist komplett schwarz. Wir sind mal wieder zu viert ganz allein draußen auf dem Amazonas, 30 Minuten Fahrtzeit vom Haus entfernt. Der Sternenhimmel glitzert auf der glatten Wasseroberfläche. Glühwürmchen bieten im umliegenden Wald eine flackernde Lichtershow. Fledermäuse flattern nah an unseren Ohren vorbei.
Elvio verspricht mir, dass hier kein Krokodil plötzlich zu uns ins Boot springen wird, auch nicht, wenn es ganz nah ist. Das glaube ich dann mal besser…
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