Klimaanlage im Zimmer. Kaum Mücken. Warmes Wasser aus der Dusche. Mir fällt nicht mehr ein, wann wir das zuletzt hatten. Angenehme Musik aus den Boxen. Personal, das neben spanisch auch englisch spricht. Alles sauber, gepflegt, dekoriert. Hach. Es kann so schön sein. Ich brauche nicht viel. Aber ein bisschen was schon. Das merke ich in Momenten wie diesen.
Wir verlassen unsere gemütliche Unterkunft nur selten. Zwischen Hochhäusern und Schnellstraßen hat sich das urige Häuschen der Posada 1914 bis jetzt wie eine kleine Oase behaupten können. Es fühlt sich gut an, wieder ein bisschen Komfortzone zu tanken. Nicht permanent etwas Neues zu erleben. Mal ein paar Tage keinen neuen Input erhalten.
Wobei das so richtig ehrlicherweise doch nicht klappt. Beim Spaziergang am Malecon von Panama City sehen wir ein paar niedliche Waschbärchen, die keine Scheu kennen und sich von allen Seiten fotografieren lassen.
Und die Zeit, die wir “zu Hause” sind, verbringe ich hauptsächlich mit der Planung von NEW YORK!!! – unser großes Finale der 8-monatigen Reise. Udo klärt derweil alles für unseren nächsten Stop: ein Segeltörn in der KARIBIK!!!
El Valle
Ein kleiner Trip zum Abschluss unserer „Zwischenstation in Panama“ darf dann aber doch nicht fehlen. Schließlich kennt Udo bisher nur ein paar Spots in Panama City und sonst noch gar nichts vom Land. Wir beschließen, ein paar Tage nach El Valle de Antón zu fahren, ein süßes Bergdörfchen, in dem ich vor acht Jahren schon ein paar wunderbare Tage verbracht habe. Ich bin gespannt, was ich alles wieder erkenne.
Wir gehen in dieselbe Unterkunft wie damals. Es ist mir vertraut, als wäre ich letzte Woche zuletzt hier gewesen. Im Bodhi Hostel wurde ein bisschen umgebaut, mancher Anstrich ist aber noch genau gleich. Sogar mein Handy erinnert sich noch an das Wlan-Passwort von damals…
Die schönsten Momente dürfen klein sein
Es ist angenehm warm. So, dass wir in kurzen Sachen draußen sein können. Nicht so heiß, dass alles schwitzig ist und klebt. Eine kühle Brise sorgt für regelmäßige Frische. Im Garten läuft aus den Lautsprechern nette Chillmusik. Keine ohrenbetäubende Lautstärke, wie so oft erlebt in Südamerika. Wir liegen überdacht auf gemütlichen Liegen mit bequemen Matratzen und Kissen. Alles ist gepflegt, sauber, in super Zustand. Über uns ziehen Wölkchen gleichmäßig in langsamer Bewegung über den blauen Himmel hinweg.

Keine Eile, kein Stress, keine Abenteuer, keine Entdeckungen. Nur ein wenig süße Unterhaltung von einem winzigen Kolibri, der schon den ganzen Vormittag immer mal wieder am Nektar der Blüten neben uns trinkt und dann wieder am Pflanzengitter ein kurzes Päuschen einlegt. Ab und zu schleckt er sich das dünne lange Schnäbelchen. Die Zunge sieht aus wie ein dünner, langer schwarzer Faden. Wie ein Strich mit einem Fineliner.
Einfach sein. Nicht Großes tun. Keine großen Ziele. Absichtslos den Moment erleben. Es fehlt gerade nichts. Es ist alles da. Außer vielleicht eine Pizza, die wär jetzt noch gut. Unser Magen erinnert sich, dass es Mittagszeit ist.
Manchmal liefert uns das Universum ganz schnell, was wir uns wünschen 🤩🍕
Noch mehr vom Universum
El Valle ist für mich nicht irgendein Ort. In El Valle habe ich damals 2016 abenteuerliche Tage auf eigene Faust verbracht, während ich auf meine Freundin Julia gewartet habe, um mit ihr unsere gemeinsame dreimonatige Reise durch Mittelamerika zu starten.

An ein Erlebnis erinnere ich mich besonders. Und zwar täglich. Bei einem kolumbianisch-schweizerischen Pärchen durfte ich im Garten eines ihrer Faultiere auf den Arm nehmen!
Das Foto ist seitdem der Hintergrund auf meinem Handy. Das deutschsprachige Paar führte eine private Auffangstation für verletzte Faultiere aus der Gegend. Wenn möglich, will ich unbedingt noch einmal mit Udo dorthin, um ihm das Faultier vom Foto zu zeigen.
Das Haus gibt es noch und ist sofort zu erkennen. Wie in meiner Erinnerung, nur mit neuem angemaltem Faultier an der Mauer. Wir klopfen, klingeln und schauen, aber keiner macht auf. Die Klingel scheint nicht zu funktionieren.

Mist. Wie machen wir das denn jetzt? Wenn wir sie nicht erwischen, wird aus dem Faultiertreffen nichts. So lange sind wir auch nicht mehr im Ort. Ich beschließe kurzerhand, zurück ins Hostel zu gehen und einen netten Brief zu verfassen, in dem ich alles erkläre und der unser Interesse an einem Besuch bekundet. So wissen sie zumindest schonmal, dass wir da sind.
Zurück am Gartentor nesteln wir ein bisschen an den Streben herum, um den Brief von innen anzubringen, ohne dass man ihn von außen sieht. Unser Rumfuchteln bleibt nicht unbemerkt und schon erspähe ich durch das Tor die liebe Schweizerin am Ende der Auffahrt. Ich erzähle ihr die Geschichte von meinem ersten Besuch und dass ich mich gerne nach dem Faultier erkundigen würde, das ich damals auf dem Arm hatte. Mai 2016, da hatte ich Glück, meint sie. Kurz darauf haben sie die Besuche für die Öffentlichkeit eingestellt, weil sie sonst hohe administrative Auflagen hätten erfüllen müssen. Ein Besuch der Tiere ist seitdem nicht mehr möglich. Wie schade.
„Falls Sie es sich anders überlegen, ich habe meine Handynummer mit auf den Brief geschrieben“, sage ich zum Schluss und wir verabschieden uns mit einem Zwinkern freundlich durch das Gartentor.
Wir gehen etwas weiter die Straße runter einen Kaffee trinken und schauen immer mal wieder erwartungsvoll aufs Handy. In der nächsten Stunde hören wir nichts und haben das Thema schon so gut wie abgehakt. Dann die Nachricht: „Buenas tardes, wir fanden euren Brief so nett, dass wir finden, ihr solltet vorbei kommen.“
Juchuuuu 🥰🥰🥰 Dann klappt es also doch noch!!!
Von wegen faul
Unser privater Besuch beginnt sofort mit einem niedlichen Empfang von zwei Faultieren. Eins mit drei Fingern, eins mit zwei. Ein Zwei-Finger Faultier habe ich vorher noch nie gesehen. Mit der feuchten Schnauze und der ulkigen Frisur erinnert es mich gleich an das Sams. Wir sind völlig entzückt. Und dürfen den Tieren sogar was zu fressen geben 🥰
Ich erinnere mich an das Haus und das Wohnzimmer. Wie damals hängen Schnüre durch die Zimmer, damit sich die Tiere leichter bewegen können. Das Faultier von damals ist im vergangenen Jahr gestorben. Es hat allerdings einen – heimlich gezeugten – Nachkommen hinterlassen. Der uns jetzt vom Bücherregal aus verschmitzt anschaut 😊

Das Engagement des netten Paares für die Tiere ist der Wahnsinn: Seit Jahren kümmern sie sich liebevoll und mit großem Einsatz um verletzte Faultiere. Wenn möglich, pflegen sie sie gesund und entlassen sie wieder in die Natur. Viele Tiere überleben allerdings nicht und erliegen ihren tödlichen Verletzungen. Unfälle mit Autos und durch ihr Revier laufende Hochspannungsleitungen, an denen sie entlang klettern, sind die häufigsten Todesursachen der Faultiere. Ebenso schwierig ist ihr immer kleiner werdender Lebensraum durch kommerzielle und illegale Abholzung des Regenwaldes. Auch die Futtersammlung für die zu pflegenden Tiere wird so immer schwieriger. Besonders die Zwei-Finger Faultiere brauchen eine ganz bestimmte Art von Bäumen und ernähren sich fast ausschließlich von einer Sorte Blüten und Blätter. Die sind immer weniger zu finden…
Beim Zuhören können wir die Augen kaum von den Tieren lösen. Sie sind einfach zuckersüß. Vor acht Jahren bin ich im ersten Moment schon Faultier Fan geworden. Bis jetzt hat die Begeisterung nicht nachgelassen. Man kann die grinsenden Muskelpakete einfach nur lieb haben 🦥
Wie besonders, dass ich diese tolle Erfahrung noch einmal erleben darf und dieses Mal sogar mit Udo teilen kann.
Alles ist wie damals, nur ich nicht
Wir unternehmen zum Abschluss noch eine kleine Wandertour, schließlich liegt der Ort El Valle in einem alten Vulkankrater und lässt sich ringsum super beklettern. Wir nehmen den bekannten Pfad La India Dormida (die schlafende Frau) und unser Weg führt zuerst durch ein tropisches Waldstück und dann auf die ziemlich windige freie Fläche um den Gebirgskamm. Ich erkenne die scharfe Kante der Scheitellinie von damals wieder. Und erinnere mich, wie ich stolz wie Bolle auf dem höchsten Plateau stand.

Damals, vor acht Jahren, fand ich den Aufstieg hier hoch ganz schön krass. Abenteuerlich, herausfordernd, schweißtreibend.
Heute, besonders nach der bisherigen Reise und Unternehmungen wie der Wanderung durch den tiefsten Canyon Südamerikas in Peru oder dem 5-Tages-Dschungeltrip zur Verlorenen Stadt in Kolumbien, empfinde ich die Bergtour hier wie einen netten Spaziergang über den Hügel hinterm Haus. Was für eine Entwicklung.
Ich erinnere mich noch gut an mein Ich von damals. Unglaublich, wie viel Leben seitdem passiert ist. Die unterschiedlichen Empfindungen von der selben Tour – damals und heute – sind auch repräsentativ für alle anderen Bereiche des Lebens. Es stecken gefühlte 30 Jahre in den letzten acht. Wie wunderbar, nochmal an diesen Ort zu kommen und meine eigene Entwicklung so klar vor Augen zu sehen. Und lustige Fotos hier oben im Wind zu machen 😜

Die Akkus sind wieder voll
Komfortzone ist das, was wir kennen. Vertrautes. Ein längerer Boxenstopp in Panama (City) ist eine hervorragende Entscheidung gewesen, um unsere Akkus in der Hinsicht wieder aufzuladen. Wir fühlen uns frisch, erholt, gestärkt und offen für Highlights. Eines davon: Unsere Fahrt zum Flughafen. Zurück in Panama City geht es erst über den Panama Kanal und dann ein letztes Mal vorbei an den glitzernden Towern.

Panama, du hast und gut gefallen.
Next Stop: KARIBIK!!!
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