Schließlich machen wir uns am nächsten Tag weiter nach Merida, der größten Stadt in Yucatan, aus der auch mein Studienkollege Rodolfo kommt, den ich schon nach ein paar Tipps gefragt habe. Mit gebuchter Unterkunft kommen wir nachmittags in der Stadt an.
Hier nochmal der Reminder an mich, warum ich klassische Hotels meistens blöd finde:
- oftmals auf den Bildern schön – aus den guten alten Zeiten – in Wirklichkeit aber in die Jahre gekommen. Z.B nur eine Steckdose im ganzen Zimmer, und diese unpraktisch platziert; dafür ein eingerahmtes Bild an der Wand
- Oftmals kein Wasserkocher oder irgendein Utensil, womit man sich mal schnell einen Tee, Kaffee oder Saft machen oder einschenken könnte. Ich will mich doch nicht für jedes Getränk anziehen und erst eine Bar, Café, Restaurant aufsuchen müssen
- Keine Möglichkeit, mitgebrachtes Essen oder Reiseproviant in den Kühlschrank zu stellen. Dafür im Dreieck gefaltetes Klopapier.
- Isolation von anderen Gästen bzw. Klientel in der Urlaubsblase mit völlig anderen Interessen der Gesprächsthemen
Nun die riesen Überraschung, wo wir uns eingebucht haben: In ein klassisches Hotel. Oh Mann. Aus manchen Fehlern lernt man (ich) offenbar überhaupt nicht.
Nach ein bisschen Hin- und Herdiskutieren können wir aus drei gebuchten Nächten eine machen und freuen uns über das kooperative Hotelpersonal. Noch in Gedanken an das Feeling vom Meer kommen uns zu diesem Zeitpunkt der Stadtlärm, das Getümmel und die Hitze wie eine Nervenprobe vor und wir beschließen, bis zu Udos Abreise für ein Projekt in Deutschland die letzten beiden Nächte wieder am Meer und Strand zu verbringen. An der Rezeption fragen wir, wie wir da am besten zum naheliegenden Meer kommen. Mit dem Taxi oder Uber heißt es, denn der Strand, den wir uns ausgesucht haben, sei sehr ruhig. Ja, genau das wollen wir.
Das NICHTS – das war wohl nichts
Mit dem Taxi werden wir Kilometer weit gefahren, ohne dass sich rechts und links der Straße Nennenswertes zeigt. Mitten auf der Landstraße hält der Fahrer an und sagt, dass wir da sind. Wir gucken aus dem Fenster und sehen nur vereinzelte Bäume, sonst NICHTS. Google Maps zeigt uns an, dass es noch 200 Meter sind. Der Fahrer bringt uns noch ein Stück weiter und immerhin werden wir da rausgelassen, wo wir zumindest ein paar Häuser in Reichweite finden…
Ich hab mich an die Gedanken erinnert, aber nicht an das Gefühl. An einen Ort zu kommen, wo es NICHTS gibt. Zumindest nicht genug, dass ich mich wohl fühle. Wenn ich sowas vorher weiß, kann ich mich gut drauf einstellen und vorbereiten. Hier wusste ich es nicht. Das ist mir ZU ruhig. Jetzt verstehe ich auch den bedeutungsvollen Blick, als uns die Dame an der Hotelrezeption von diesem ruhigen Strand erzählte…

Keine Möglichkeit, etwas zu kaufen. Irgendwas. Nicht mal Cola und Chips, was es sonst überall gibt. Nur dunkle und verriegelte Häuser, die Google Maps als geöffnete Restaurants anzeigt. Häuser über Häuser – aber keine Menschen, höchstens mal ein paar Hunde, die kläffen und knurren, wenn man vorbei geht. Und alle 10 Meter ein weiteres Schild: Se Vende – zu verkaufen – oder Se Renta – zu vermieten. Laut AirBnB können wir jedes zweite dieser Häuser mieten. Mit NICHTS drum herum. Nicht mal wen zum Fragen, wo etwas sein könnte. Irgendwas. Etwas zu Essen! Da rede ich ja nicht mal von Unterhaltungsprogramm.
Unser abendlicher Ausgang ins Restaurant endet also mit knurrendem Magen wieder in unserer Cabana, einer Art Holzhütte – immerhin mit Klimaanlage, schönem Bad und Hängematte. An drei von Google vorgeschlagen Stationen im Umkreis von einem Kilometer begrüßte uns zuvor das NICHTS.
Unsere Unterkunft scheint weit und breit die einzige belebte Oase zu sein. Neben den beiden Betreibern, die ab Eintritt der Dunkelheit um 18:30 Uhr nicht mehr zu sehen sind, ist noch ein weiteres mexikanisches Pärchen da und erfreut sich im Dunkeln an dem bunt beleuchteten Pool. In drei Kilometern sei das Dorf, da wären Restaurants drum herum. Kann man hinlaufen, sagen sie. Ah ja. Im Dunkeln, an der befahrenen Landstraße entlang ohne Gehweg, ohne Beleuchtung, dafür mit tausenden Moskitos und knurrenden Hunden. Mh, maybe not. Auch den Vorschlag, uns an die Straße zu stellen, weil ja Taxis vorbeifahren würden, finden wir gleichsam unattraktiv. Stichwort dunkel, Moskitos, Hunde, fremde Autos mit schwarzverdunkelten Scheiben… so gut können wir die Sicherheitslage hier noch gar nicht einschätzen. Zum Glück hatte ich mir extra ein Kleid angezogen und die Haare schön gemacht, bevor wir los sind 🙄
Unser Impro-Essen in der Hütte wird dafür ganz lecker und ist auch ein bisschen romantisch. Wir haben noch Zwiebel, ein bisschen Broccoli, Avocado und Brot dabei, daraus lässt sich was machen.
Mit Udo vereinbare ich außerdem, dass er auf keinen Fall aus der Hütte gehen darf, ohne mir Bescheid zu sagen. Und ich muss einverstanden sein. Er grinst nur, nimmt mich in den Arm und verspricht mir, was ich hören will. Ein bisschen komme ich mir blöd vor, so den Schissi raushängen zu lassen. Aber dieses Gefühl, dass hier weit und breit NICHTS ist, nur so wenige Menschen da sind, und alles so dunkel ist, reißt mich völlig aus meiner Komfortzone und ich fühle mich schutz- und hilflos. Mein Selbstwirksamkeitsempfinden funktioniert in einer Stadt – oder zumindest einem Ort mit ein bisschen mehr Publikum und einigermaßen Infrastruktur – deutlich besser.
Let’s make the best out of it
Die Hitze ist tagsüber so extrem, dass wir uns kaum länger als 10 Minuten darin aufhalten können. Erkundungstouren, die länger dauern, fallen somit völlig aus. Auch der Strand gibt nicht besonders viel her und die Wellen sind zu rau zum baden. In den kühleren Morgen- und Abendstunden stürzen sich draußen die Moskitos mit Wonne auf uns.
Welch schöne Trainingseinheit für die innere Einstellung: Auf das konzentrieren, was da ist. Bedeutet: Pool oder Klimaanlage :D Wir machen es uns schön, so gut es geht und nutzen die verbleibende gemeinsame Zeit bis zu Udos vorübergehender Abreise für ein Projekt in Deutschland und machen uns einen süßen Mix aus Work und Vacation und Fotos ;)
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