Tag 1: Hamburg – Brüssel – Cancun
Das Gefühl am nächsten Tag ist ein ganz anderes. Gar nicht mulmig, ob wir was vergessen haben, sondern eher in Erwartungshaltung, an welchem Punkt uns jetzt das nächste Stop-Schild vor die Nase gehalten werden sollte: Fährt die U-Bahn? Streiken sie am Flughafen? Sind unsere Flugtickets gültig? Wird unser Gepäck akzeptiert? Fliegt das Flugzeug los? Schaffen wir es am Stück nach Mexiko? Können wir ins Hotel einchecken, obwohl wir einen Tag zu spät sind? Solche Fragen halt.
Es fällt mir außerdem ernsthaft schwer, nicht in Szenarien abzudriften, was uns das Universum alles zu dieser Reise sagen möchte. Als wir das erste Mal die Flüge buchen wollten, habe ich mir kurz darauf den Fuß gebrochen, was alles um zwei Monate verzögerte. Als wir dann schließlich gebucht hatten, wurde die Buchung drei Stunden später vom Anbieter storniert. Als wir endlich los wollten, sind die Flüge vier Stunden vor Abflug gecancelt worden. Da kann man (ich 😂) schon anfangen sehr kreativ zu interpretieren…
Hilfreich und zuverlässig kann ich mich in solchen Momenten auf die männlich-pragmatische Sichtweise von meinem Freund verlassen: Das heißt alles gar nichts. Die haben halt ihre Buchungssoftware nicht im Griff. Flüge ändern sich ständig. Kann halt passieren. Okay…
Zum Glück klappt auf den zweiten Streich alles und wir kommen ohne weitere Probleme nach Cancun und mit ein bisschen rumfragen, da kein Internet geht, auch bis ins Hotelzimmer.

Gedanken:
- Ich rieche sofort, dass ich woanders bin. Es riecht irgendwie süßlich, sommerlich
- Krass, wir sind jetzt echt da – ich fühl’s noch gar nicht
- Boar, ist das heiß, wie weit ist es noch? Sollen wir jetzt echt diese dunkle Straße da lang gehen? Ein Taxi wäre besser gewesen. Wie weit noch?
- Als allererstes dusche ich erstmal, wenn wir ankommen und wenn ich bis dahin noch nicht weggeschmolzen bin.
- Krasser Blick von der Hotel Dachterrasse über die Stadt. Ist da vorne das Meer?
- Prost mit dem ersten mexikanischen Bier 🍻
- So geht’s also los. Ging’s mir beim letzten Mal zum Start der langen Reise auch so?
- Gute Nacht in Mexiko
Tag 2: Isla Mujeres: 1, Cancun: 0
Weil im Hotel überhaupt kein Internet funktioniert, ist das nächstgelegene Einkaufszentrum unser erster Anlaufpunkt. Erkundigungen, Recherche, Überlegen, schließlich zwei mexikanische SIM Karten kaufen, Unterkunft auf der Isla Mujeres buchen, was essen und dann mit Sack und Pack zur Fähre Richtung Insel aufbrechen ist der Plan.
Gedanken:
- Boar, wie heiß, hatte ich wirklich geglaubt, ich würde hier geschlossene, feste Schuhe, statt Flipflops tragen, um den Fuß noch weiter zu schonen? Hahaha, der Witz des Jahres.
- Ich hätte doch den alten Lonely Planet Reiseführer mitnehmen sollen. Wie sollen wir uns denn zurechtfinden?
- Cancun hatte ich schöner in Erinnerung. Irgendwie nur Beton, soweit man sieht. Mh, enttäuschend, dabei wollte ich Udo doch zeigen, wie schön es hier ist. Oder ist das nur in meiner Erinnerung so?
- Spanisch verstehen und bisschen sprechen klappt nach 7 Jahren auf Anhieb ganz gut, wie cool
Cancun → Isla Mujeres
Auf dem Speedboot legt sich dann allmählich die Anspannung und es stellt sich das freie und freudige Gefühl ein, auf das ich mich so lange gefreut hatte. Mit Wind in den Haaren, türkisem Meer, Sonne im Gesicht und einem mexikanischen Musiker, der uns während der Fahrt – ein bisschen zu laut – mit Live Musik unterhält, da fällt es nicht so schwer. Und Udo sieht jetzt schon voll nach Urlaub aus 😉


Auf der Insel angekommen, fallen die Erinnerungen von meinem ersten Besuch vor sieben Jahren wie eine Welle über mich herein und ich freue mich so sehr, wieder hier zu sein. Überall so schöne Palmen, dieses klare Wasser, die ganzen Farben, das karibische Flair, das einen empfängt, sobald man sich dem Ufer nähert, es ist einfach unglaublich.
Plan: Kurz die Sachen in der Unterkunft abstellen und dann direkt los zum Strand, bevor ab 18 Uhr schon die Sonne untergeht.
Gedanken :
- Inselfeeling pur, boar, geht’s noch schöner?
- Das ist das Bild, was ich im Kopf habe, wenn ich an Strand und Meer denke. Jetzt bin ich genau an diesem Ort.
- Wir sind zusammen hier ♥️
- Was für magische Momente
- Dafür das Ganze. Genau dafür!
- Ich könnte heulen, so schön ist es.
Mit ein bisschen Dreistigkeit und Beharrlichkeit zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Von einem Pärchen, das wir am Strand treffen (man kommt ins Gespräch, wenn beide schöne Pärchenbilder am Strand wollen und dafür willige Fotografen brauchen 😂), bekommen wir den Tipp, dass an diesen Strandabschnitt jede Nacht Riesenschildkröten kommen, um ihre Eier abzulegen. Ich glaube erstmal, ich habe mich verhört! Hierher? An diesen Strand? In unmittelbarer Nähe zu Hotels und Touristen, die jeden Tag zu Hauf an diesem Strand unterwegs sind? Das hatte ich ja mal so gar nicht auf dem Schirm.
Somit war der Abendplan festgelegt: Was essen gehen, kurzen Powernap (Stichwort Jetlag) einlegen und dann im Dunkeln auf Richtung Strand. Wie befürchtet, kommen wir allerdings nicht weit. Kaum fünf Meter im Sand werden wir schon von einem mexikanischen Guide gebeten, den Strand zu verlassen, da er um diese Zeit geschlossen ist. Mh. Mist.
Also versuchen wir es einige Häuserblöcke weiter noch zweimal – ohne Erfolg. Auch ein mit-gedukten-Köpfen-unter-der-Absperrung-durch-und-übers-Gelände-schleichen-Experiment bringt uns unserem Ziel nicht näher. Der nächste Fußbruch scheint da wahrscheinlicher, als eine Schildkröte anzutreffen.
Schließlich marschieren wir wie selbstverständlich durch die Lobby des Hotels, von dem wir wissen, das es einen direkten Zugang zu dem Strandabschnitt hat, wo wir hinwollen. Nämlich da, wo wir das Pärchen zuvor angetroffen haben.
Ohne dass uns jemand aufhielt, setzen wir uns zu den anderen Hotelgästen auf die Terrassenmauer mit direktem Blick über den gesamten Strandabschnitt. Was für ein Panorama über die gesamte Fläche im Mondlicht. Das Meeresrauschen vor uns und das leise Plätschern des Pools hinter uns tun ihr Übriges für eine exotisch-romantische Abendatmosphäre.

Lange passiert gar nichts. Viele Gäste verabschiedeten sich nach und nach ins Zimmer, bis schließlich nur noch wir zwei übrig bleiben. Eine Gruppe von fünf Guides läuft immer wieder den Strandabschnitt vor uns auf und ab und schickt alle Schaulustigen fort, die sich von den Seiten nähern. Nur unsere Hotelmauer wird anscheinend als Beobachtungsplattform geduldet. Sicher kostet der Zimmerpreis hier extra.
Schließlich wird unsere Beharrlichkeit belohnt: In weiter Ferne sieht es so aus, als ob jemand mit einer Taschenlampe an der Wasserkante aufleuchtet und das Licht sich immer weiter Richtung Strandmitte bewegt. Irgendwann wird uns klar, dass das keine Taschenlampe ist, sondern das Mondlicht, das sich auf dem nassen Panzer der Schildkröten widerspiegelt. Wie krass!
Oh mein Gott, was für ein Moment. Schließlich erreicht noch eine weitere Schildkröte in direkter Sichtnähe zu uns das Ufer, und wirtschaftet sich beschwerlich den Sand hinauf, bis zu einer Stelle, die ihr behagt und sie anfängt, den Sand für ein 1 Meter breites und tiefes Loch wegzuschaufeln.
Als die Guides außer Sichtweite sind, nutzen wir die Gelegenheit und nähern uns der Schildkröte bis auf wenige Meter. Zwei Herzen schlagen dabei in unserer Brust: Natürlich wollen wir das wilde Tier auf keinen Fall stören und finden auch absolut gut und richtig, dass der Strand für diese Zeit für die Tiere geschützt wird. Gleichzeitig rufen die Abenteurer in uns, dass wir uns diese Gelegenheit auf keinen Fall entgehen lassen können. Wann sieht man schonmal sowas spontan aus nächster Nähe?!
Vorsichtig, im Schatten der Palmen und Rauschen des Wassers, beobachten wir also für einige Minuten diese wunderschöne Schildkröte dabei, wie sie das Loch für ihre ca. 100 Eier schaufelt.
Ein weiterer magischer Moment, den nur wir zwei teilen, und der dadurch umso mehr besonders ist.

Fun Fact: Das ganze Eierleg-Spektakel ist eigentlich nicht besonders spektakulär. Sie schaufelt und schaufelt halt 😆 Nach 45 Minuten (aus der Ferne betrachtet) ist das Loch immer noch nicht fertig und im Dunkeln können wir auch keine Details erkennen.
So beschließen wir, diesen Moment für uns mitzunehmen und uns den Rest des Eierlegens einfach dazuzudenken. Beseelt von diesem Erlebnis – was wirklich außergewöhnlich ist einfach so mitzuerleben und nicht im Rahmen einer teuren Tour mit 30 anderen Touristen – gehen wir zurück in unsere Unterkunft und schlafen auch super schnell ein.
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